Ein Theatersaal in Hamburg, roter Samtvorhang, gespannte Stille – und dann bricht eine Schauspielerin das Schweigen über eines der größten Tabus unserer Zeit. Mit Bodyrule steht Cosma Dujat, zuletzt als Gaststar bei Gute Zeiten, schlechte Zeiten zu sehen, auf der Bühne – und erschüttert mit nur einem Satz das Selbstverständnis eines ganzen Publikums: „Egal was ich trage – niemand hat das Recht, mir Gewalt anzutun.“
Was als Theaterabend beginnt, entwickelt sich zur kollektiven Bewusstwerdung. Cosma spielt die Moderatorin Maureen Lest, die sich zusammen mit Kollegin Christina Fliether in ein dramatisches Streitgespräch begibt. Im Zentrum: eine einfache, aber explosive Frage. War das ein Flirt – oder schon ein Übergriff? Was wie eine harmlose Begegnung begann, eskaliert im Stück zu einem erbitterten Streit über Körpergrenzen, Machtverhältnisse und Schuld.
Während das Publikum atemlos jeder Nuance folgt, legen die beiden Frauen auf der Bühne Schicht für Schicht gesellschaftlicher Verdrängung frei. Der Zuschauer wird nicht verschont. Er wird zum Mitdenker, Mitfühler, manchmal sogar zum Mitangeklagten. Denn Bodyrule zwingt zur Stellungnahme: Wo fängt Grenzüberschreitung an? Wer darf das definieren? Gibt es eine objektive Wahrheit – oder nur individuelle Wahrnehmung?
Cosma Dujat sagt dazu im Interview mit TAG24 ganz klar: „Ja, es gibt eine Wahrheit.“ Ihre Stimme klingt fest, klar, und sie zögert nicht, wenn sie ergänzt: „Was ich trage, wie ich mich bewege oder lache – das alles ist kein Freibrief für Gewalt. Niemals.“ Diese Aussage hallt nach – nicht nur im Theater, sondern auch über ihre Rolle bei GZSZ hinaus.
Denn gerade durch ihre Bekanntheit im Fernsehen wirkt ihre Präsenz auf der Bühne umso eindringlicher. Die Zuschauer kennen sie als Serienfigur – doch hier begegnen sie der Frau, der Aktivistin, der Betroffenen vielleicht. Cosma nutzt ihre Bekanntheit, um etwas anzustoßen, das vielen schwerfällt: Hinschauen. Zuhören. Fragen stellen.
Das Stück spielt mit Unsicherheit. Mit der Grauzone zwischen Empfindung und Gesetz. Zwischen „Er hat das doch sicher nicht so gemeint“ und „Ich fühle mich verletzt.“ Und genau darin liegt die Kraft von Bodyrule. Es ist keine Anklage – es ist ein Weckruf.
Auch der Kontext der #MeToo-Bewegung zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Dabei geht es nicht um bloße Empörung, sondern um das komplexe Ringen um Gerechtigkeit, Stimme, Wahrheit. Cosma Dujat bringt dies mit einer Intensität auf die Bühne, die keine Flucht zulässt. Wer hier zuschaut, wird mitgerissen – oder muss sich stellen.
In einer Zeit, in der jede Berührung, jeder Blick in Frage gestellt werden kann, scheint es fast unmöglich, noch Orientierung zu finden. Doch genau darin liegt die Bedeutung solcher Stücke. Sie machen Unbehagen sichtbar – und dadurch verhandelbar. Und sie geben jenen eine Stimme, die zu lange geschwiegen haben.
Was bleibt also nach dem Schlussapplaus? Vielleicht diese eine Frage, die alles verändert: War das eben nur Theater – oder schon die Wahrheit?